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Begeisterung und was sie bewirken kann.

Begeisterung – viel benutzte Phrase, wenig hinterfragt.

Gerade ist es mal wieder soweit, ganz Deutschland ist begeistert, bzw. im Fußballfieber der Weltmeisterschaft. Persönlich kann ich diese Art der Begeisterung nicht nachvollziehen, technisch gesehen und aus Sicht von Hirnforschung, Konsum- und Markenpsychologie jedoch sehr wohl. Es ist aus meiner Sicht auch eine kurze Zeit des Aufatmendürfens eines Landes, das seine Flagge und ein klein wenig Stolz nur dann zeigen darf, wenn es die Symbolik von „Jogis Jungs“ erlaubt.

Was ist Begeisterung?

Wenn man herumfragt, oder auch bei Wikipedia nachliest, dann wird Begeisterung oft als freudige Erregung, als hochmotivierter Zustand oder auch als das Eifern für eine Sache beschrieben. Kann man das nachvollziehen? Sicher kennt jeder Beispiele die einen begeistern, sei es der neue Partner, die Kinder, die Arbeit (bei dem ein oder anderen ;-)), das Hobby oder das Essen. Jeder kann sich für Irgendetwas begeistern.
Aber warum ist das so? Warum können wir uns begeistern, ja warum müssen wir diesem Drang vielleicht sogar folgen, Begeisterung immer und immer wieder zu erlangen? Warum sind wir zu dieser Art übersteigerter Emotion im Stande? Grund hierfür ist unser Gehirn und die darin stattfindenden, hochkomplexen elektrischen und chemischen Abläufe. Wir sind Wesen, die als einzige zur Reflexion und zu einem Bewusstsein fähig sind. Agieren diese Systeme entsprechend optimal miteinander, kann u.a. Begeisterung entstehen.

Oder konkreter: Gedanken sind elektrische Impulse, ausgehend von der Hirnrinde, die mittels Übertragung durch chemische Schnittstellen, die sogenannten Synapsen, den Impuls an die Orte im Körper leiten, die zur Ausführung eines Gedanken oder einer Handlung/Körperbewegung nötig sind. Ebenso steuern sie natürlich sämtliche unbewusst ablaufenden Systeme, wie etwa das Kreislaufsystem oder die Atmung. Kommt hier etwas aus dem neuronalen Gleichgewicht, fühlen wir uns unwohl, werden krank oder sterben im schlimmsten Falle sogar daran. Auch hier sollten wir die Macht der Gedanken, als möglichen Grund und Auswirkung auf Krankheiten, keinesfalls unterschätzen.

Wozu brauchen wir Begeisterung?

Begeisterung wird in der Hirnforschung oft lapidar als der „Dünger für das Gehirn“ bezeichnet. Was bedeutet das? Wird etwas gedüngt, so kennt man es aus der Botanik, dann wächst es für gewöhnlich besser, schneller, üppiger. Begeisterung ist also eine Art Katalysator für das Wachstum bestimmter Gehirnregionen. Begeisterung ist uns übrigens angeboren, funktioniert also von Kindesbeinen an. Jeder kleinste Gegenstand, jede Wollmaus unter dem Tisch kann, wird sie von Babys oder Kleinkindern auf dem Boden aufgefunden, Begeisterung auslösen. Oft beschäftigen sich Kinder eine kleine Ewigkeit mit solch scheinbaren Banalitäten. Nimmt man ihnen den Gegenstand, kann es passieren, dass das Kind sogar zu weinen beginnt. Was hier dieselben chemischen Prozesse im Gehirn in Gang setzt, wie bei einem Erwachsenen der einen großen „Erfolg“ erzielt hat oder gerade die große Liebe kennen gelernt hat, ist bei einem Baby oder Kleinkind, das Kennenlernen und Erfahren seiner Umgebung.

Es ist alles neu, wird zum ersten Mal gesehen und vom Gehirn verarbeitet. Dies sorgt für ein wortwörtliches Feuerwerk zwischen den Synapsen, die sich rasant zu einem dichteren Netzwerk verschalten. Auch das Laufenlernen ist einer dieser Prozesse, der dem Kind die Begeisterung (am Lernen), über die vielen kleinen Teilerfolge hinaus, bis hin zum letztlich erfolgreichen Stehen und Gehen, ermöglicht. Interessanterweise gibt es bei diesem Lernvorgang auch eine schier unbegrenzte Frustrationstoleranz, egal wie oft sich das Kind auf den Hintern setzt, also umfällt, es steht immer wieder auf und macht weiter.

Allein die Frustrationstoleranz hätte ich mir als Erwachsener dabei gerne behalten, egal ob im Bezug auf den Umgang mit Mitmenschen oder mit technischen Dingen – z.B. beim Aufbau eines IKEA-Schranks !! 😉

Sobald diese einfache Grundregel verstanden wurde, sollte es für Eltern keine Frage mehr sein, innerhalb grundsätzlicher Grenzen, ihr Kind an alles nur denkbar erlebbare heranzuführen, denn je breiter die Basis ist, die zwischen 0 und 5 Jahren geschaffen wird, desto vielschichtiger kann das Kind später darauf aufbauen. Dabei reden wir hier nicht von Zwang, sondern von der Beobachtung des Kindes, für was tatsächlich Begeisterung vorhanden ist und für was nicht. Kinder sind nicht dafür da, um nach den Vorstellungen der Eltern erzogen zu werden, sondern zur Fähigkeit, eigenständige und verantwortlich denkende Individuen werden zu können! Die Verantwortung der Eltern, insbesondere der Mutter, ist somit höher als je zuvor gedacht und kann nicht an Erziehungseinrichtungen oder -personen abgetreten werden. Hier ist übrigens nicht die Rede von Pädagogenfantasie, sondern von messbarer Hirnforschung, gestützt durch eine Vielzahl großangelegter und weltweiter Studien zu diesem Thema!

Wie funktioniert Begeisterung?

Nun, um nicht zu tief in die Biochemie einsteigen zu müssen, nur soviel zum Thema: Verspürt man das Gefühl von Begeisterung und führt dieses Gefühl zu einer Aktion, die dem Gefühl Taten folgen lässt, dann werden sog. neuroplastische Botenstoffe (die bekanntesten sind Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin, aber auch Peptide wie Endorphine und Enkephaline gehören dazu) ausgeschüttet, die für die Ausbildung von relevanten neuen Verknüpfungen verantwortlich zeichnen. Die Verknüpfungen und neuen Synapsen werden vor allem dort erzeugt, wo man im Gehirn die jeweilige Tätigkeit verortet.

Wir brauchen also die Begeisterung offensichtlich um unser Gehirn, bzw. bestimmte Bereiche, wachsen zu lassen. Kann man Begeisterung erzwingen oder systematisieren? Wohl eher nicht. Manche begeistern sich für Fußball, die anderen für Autos. Woran erkennt man diesen Typ Mensch? Ganz einfach, sie wissen jeweils Alles über IHR großes Thema und zwar von A-Z und niemand hat sie dazu gezwungen sich dieses Wissen anzueignen! Wie oft haben wir diese durch Begeisterung getriebenen Lerneffekte in der Schule erlebt und wieviel haben wir auf Grund dessen seit damals an „Lernstoff“ behalten?

Diese Frage kann sich jeder für sich selbst beantworten und damit gleichzeitig das sogenannte Schulsystem in Frage stellen. Die Begriffe Bildungs- und Ausbildungssystem sind zwei grundverschiedene Dinge, die miteinander nichts zu tun haben. Wir sind Lebewesen, die auf das praktische Erleben, die Bewegung und die dreidimensionale Orientierung ausgelegt sind. Somit genießen wir nicht nur sprichwörtlich mit „allen Sinnen“, sondern lernen auch genau so keinesfalls anders.

Im Zuge dessen kann man übrigens auch die Frage, ob es Sinn macht, digitale Medien (IPad/Notebook/Smartphone) an Schulen zur Lernunterstützung einzuführen, mit einem ganz klaren NEIN beantworten! Sieht man sich die bekanntesten Privatschulen dieser Welt an, inklusive derer, auf die die Tech-Größen im Silicon-Valley ihre Kinder schicken, dann wird es uns vorgemacht! Steve Jobs, hat seinen Kindern bis kurz vor ihrer Volljährigkeit, den Umgang mit dem IPad und dem IPhone verboten, weil er um das Suchtpotential und deren Schädlichkeit, insbesondere auf die Entwicklung vor dem 16. Lebensjahr, wusste. Rund 500.000 Internetsüchtige (als Krankheitsbild per Definition) im Alter zwischen 14 und 25, alleine in Deutschland, sprechen zudem Bände!!

Warum darf keine Begeisterung aufkommen?

In unserem System werden wir zu einer bestimmten Funktionsweise erzogen. Jeder hat gleich und nach definierten Rasterbedingungen zu funktionieren, zu arbeiten, zu konsumieren. Für das Individuum, das wir von Natur aus sind, ist hier kein Platz mehr. Jede Individualität, die sich nicht nur durch Körpermerkmale ausdrückt, sondern durch die uns eigenen Fähigkeiten, Neigungen, Interessen, die im höchsten Maße förderungswürdig wären, wird hier unterminiert. Gerade die Förderung der Individualität, des Gesehen- und Verstandenwerdens, würde uns begeistern. Es würde uns begeistern, wie sich die Effekte die wir damit für uns selbst erzielen, auch auf unsere Umwelt auswirken.

Es würde uns begeistern, morgens aufzustehen und jene Tätigkeit zu verrichten, die uns Freude macht, die uns Begeisterung schenkt und damit auch die positive Resonanz unserer Mitmenschen erzeugt. Man stelle sich vor, es gäbe keine Frustration mehr in der Arbeitswelt und jeder würde das tun für die Gemeinschaft, was er am besten kann. Jeder würde jeden dafür wertschätzen, weil jeder sich selbst in sich und in seiner Tätigkeit genügt. Ein Geldsystem wäre nicht mehr nötig weil jede Tätigkeit gleichwertig wäre und somit ein Verrechnungssystem nicht mehr oder nur noch minimal relevant wäre… . Nur ein utopischer Traum, oder leben wir vielmehr in einem kranken, selbstgemachten Albtraum und haben die Realität vergessen?

Sicher können wir darüber nachdenken und wir können auch etwas ändern, allerdings nur für uns selbst, niemals aber am System.

Sehen wir uns das gerade skizzierte Szenario an, in welchem jeder mit Begeisterung seinen Alltag meistern würde. Wer hätte dann noch Lust auf den ganzen Konsum-Schrott den man uns tagtäglich andrehen möchte? Niemand! Namhafte Hirnforscher unserer Zeit prägen Sätze wie: „Wer glücklich ist, kauft nicht.“ Kurz und knapp. Was das für unser auf Konsumwahnsinn aufgebautes, kapitalistisches System bedeuten würde, kann man sich an fünf Fingern abzählen… . Sieht man sich die Tatsachen an, die hinter diesem zitierten Satz stehen, wird man merken, dass Begeisterung eng in Verbindung steht mit unserem Belohnungssystem im Gehirn.

Nimmt man diesem System nun die Botenstoffe, die die Begeisterung auslösen, zum Beispiel indem man die Menschen zwingt, Dinge zu tun, auf die sie keine Lust haben oder noch schlimmer, Dinge die sie denken aus Angst tun zu müssen, dann leider wir unter einem massiven Mangel, den unser Körper ausgleichen muss. Unser Organismus funktioniert nach bestimmten Regeln, werden diese nicht eingehalten, entstehen über kurz oder lang entsprechende Mangelerscheinungen.

Der Ausgleich

Nun, der Ausgleich muss natürlich ebenfalls an jener Stelle erfolgen, an dem der Mangel aufgetreten ist, also innerhalb des Belohnungssystem. Folglich belohnen wir uns mit Konsum, mit Dingen die uns vermeintlich und zeitlich meist nur sehr beschränkt Freude bereiten. Daran ist erst mal nichts Schlechtes, aber – und hier muss jeder zu sich selbst ehrlich sein – was von dem was wir kaufen, brauchen wir tatsächlich und was war die ehrliche Motivation hinter dem Kauf? Welchen Mehrwert für mich selbst, meine Mitmenschen und meine Umwelt bringt dieser Kauf mit sich? Ist er durch einen nützlichen Zweck motiviert, oder ist er nur die Kompensation eines Mangels, eines Frustes? Warum kaufen wir ständig neue Autos, warum erhalten wir die alten nicht?

Warum müssen wir zweimal pro Jahr in den Urlaub fliegen, warum genügt es uns nicht, uns zuhause eine schöne Zeit mit Freunden zu machen? Warum konsumieren wir AUCH MENSCHEN, als wären sie Wegwerfobjekte, jederzeit austauschbar? Was treibt uns hier an? Sicher nicht eine gesunde, zufriedene Ausgeglichenheit! Wie kann es sein, dass es Banken gibt, die einem Wiesen-Besucher, nur zum Zwecke des Wiesenbesuchs, einen Kredit über 5000 Euro ausstellen (kein fiktives Beispiel!) oder Kredite für Urlaube vergeben werden, obwohl der Kredit für den letzten Urlaub noch nicht mal bezahlt ist? Was treibt den Menschen zu solch krankmachenden Handlungen?

Wir müssen uns klar darüber werden, dass wir unsere echte Begeisterung, also all das was uns mit wahrem Sinn erfüllt, nur mit Konsum, einer billigen Ersatzdroge, versuchen zu stillen. Die Risiken und Nebenwirkungen sehen wir in der Gesellschaft und der Umwelt. Konsum ist das Crystal Meth einer Hochkultur und wir werden mit Ansage daran zu Grund gehen, das beweisen die traurigen Beispiele unserer Geschichte.

Fazit

Offenbar kommt alle Not aus dem Vergleich und der Vergleich aus der Unzufriedenheit und die Unzufriedenheit aus der fehlenden Begeisterung und der inneren Leere des Einzelnen. Anstatt uns gemeinsam mit unseren Fähigkeiten weiter zu entwickeln und uns an den Ergebnissen zu begeistern, bekriegen wir uns mit Schrott den wir uns am Stammtisch um die Ohren hauen können, ganz nach dem alten Motto: „Mein Haus, mein Auto, mein Hund, … mein Wahnsinn.“ … Was am Ende bleibt sind Schulden, Abhängigkeiten, Rost und Frust, in einer ständigen Abwärtsspirale, welche nur von ein paar Wenigen von außen betrachtet werden kann, nämlich von denen, die damit Geld verdienen.

Versuchen wir doch mal, wieder zu den Dingen zurück zu kehren, die uns begeistern, die uns echte Freude bereiten. Kaufen wir nur noch mit Bedacht, erhalten wir Dinge mit Sinn und Verstand und pflegen wir echte soziale Kontakte und nicht nur die, die man mit einem Wisch wechseln kann. Wir haben die Begeisterungsfähigkeit in uns, aber wir müssen uns bewusst dafür entscheiden!